Arboviren in Europa: Übertragung und Entwicklungen
Originalpublikation: Hedrich N et al. Aedes-borne arboviral human infections in Europe from 2000 to 2023: A systematic review and meta-analysis. Travel Med Infect Dis. 2025.10;64:102799. doi: 10.1016/j.tmaid.2025.102799.
Arboviren werden durch blutsaugende Arthropoden übertragen, wobei Stechmücken der Gattungen Aedes aegypti und Aedes albopictus eine zentrale Rolle spielen. Zu den klinisch relevanten Arbovirus-Infektionen in Europa zählen Dengue-, Zika-, Chikungunya-, Gelbfieber-, Ross-River-, Mayaro- und Rift-Valley-Virus-Infektionen. In den meisten Fällen werden die Infektionen durch Reisende eingeschleppt, wobei Dengue das am häufigsten eingeschleppte Arbovirus ist. In der vorliegenden Übersichtsarbeit haben Hedrich et al. die Verbreitung dieser Infektionen in Europa in den letzten 23 Jahren untersucht.
Durch Aedes-Mücken übertragene Infektionen stellen weltweit ein erhebliches Gesundheitsproblem dar – nicht nur in endemischen Regionen, sondern zunehmend auch in Europa. Ein umfassendes Verständnis der Dynamik dieser Infektionen ist für die Entwicklung wirksamer Präventions- und Kontrollstrategien von entscheidender Bedeutung.
Um die Verbreitung und die damit verbundenen Trends zu verstehen, schloss die Autorengruppe um Hedrich et al. 353 Publikationen in ihre Übersichtsarbeit ein. Damit flossen die Daten von mehr als 59000 Arbovirus-Infektionen aus den Jahren 2000 bis 2023 in Europa in die Auswertung ein.
Im Untersuchungszeitraum kam es in Europa zu erheblichen Schwankungen bei der Zahl der durch Aedes-Mücken übertragenen Infektionen, die auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen sind. Im Jahr 2016 war eine Zunahme der Zika-Infektionen zu verzeichnen. Die Ausbreitung des Zika-Virus in Südamerika spiegelte sich in einem Anstieg der importierten Fälle in Europa wider. Umgekehrt ließ sich in den Jahren 2021 und 2022 ein Rückgang der Fälle aufgrund der COVID-19 bedingten Reisebeschränkungen beobachten.
Insgesamt konnte das Autorenteam 55924 importierte Fälle nachweisen.
Die Entwicklung des internationalen Reiseverkehrs beeinflusst die Epidemiologie von Aedes-übertragenen Krankheiten in Europa erheblich. Importierte Fälle von Aedes-übertragenen Erkrankungen geben laut Autorengruppe Anlass zur Sorge im Hinblick auf die Sicherheit von Blutprodukten. So fiel in der Auswertung der Daten ein Fall einer durch Bluttransfusion oder Transplantation übertragenen Dengue-Infektion auf. Ein strenges Screening und die Einschränkung von Blutspenden nach Reisen in Endemie-Gebiete sind entscheidend, um das Risiko solcher Übertragungen zu minimieren.
Neben importierten Fällen spielen in Europa außerdem autochthone Übertragungen eine Rolle. So konnte die Autorengruppe 3242 solcher Fälle nachweisen. Die meisten Fälle traten im Zusammenhang mit Ausbrüchen auf, wie etwa dem Dengue-Ausbruch auf Madeira im Jahr 2012 und den Chikungunya-Ausbrüchen in Italien in den Jahren 2007 und 2017.
Autochthone Übertragungen von Mayaro, Gelbfieber oder Ross-River Infektionen sind bisher nicht beschrieben worden.
In Europa spielt vor allem die Übertragung durch Aedes albopictus eine Rolle, da diese Art besser an die gemäßigten Breiten angepasst ist.
Die Autorengruppe weist darauf hin, dass Mutationen entdeckt wurden, welche die Übertragbarkeit durch Aedes albopictus erhöhen, wie beispielsweise beim Chikungunya-Virus. Auch der Klimawandel könnte das Risiko einer autochthonen Übertragung erhöhen, da wärmere Temperaturen zum einen die Lebensbedingungen für Aedes verbessern und zum anderen die Virusreplikation in den Mücken fördern.
Hedrich et al. halten darüber hinaus weitere Infektionswege für denkbar. Insbesondere das Zika-Virus ist noch Wochen nach einer Infektion sexuell übertragbar.
Fazit:
Die in Europa beobachteten Übertragungsmuster und der prognostizierte Klimawandel unterstreichen nach Ansicht der Autorengruppe die Notwendigkeit einer proaktiven Überwachung. Gezielte, koordinierte und gemeinsame Maßnahmen sind entscheidend, um Aedes-übertragene Infektionen in Zukunft wirksam einzudämmen.
Quelle:
Autor Studienreferat: Magdalena Anna Geretto (Ärztin, MSc Public Health); Kapstadt/ ZA